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Hält der Flüchtlingsstrom auch im kommenden Jahr an, wird Deutschland seine Aufnahme- und Integrationsfähigkeit überlasten.

Politik in der Krise: Glaubwürdigkeit marschiert stramm auf den Nullpunkt zu!

Politikverdrossenheit ist ein Phänomen mit stetig zunehmender Tendenz, das wir seit mehreren Jahrzehnten beobachten können. Vornehmlich wirtschaftlich abgehängte und an den Rand gedrängte Gesellschaftsschichten sehen in Ermangelung politischer Alternativen keinen Grund mehr, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Diese Entwicklung allein ist bereits schlimm genug für die Demokratie und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. In dem zu Ende gehenden Jahr, dies wird man begründet vermuten dürfen, hat sich dieser Prozess mit großer Wahrscheinlichkeit noch einmal verstärkt.

Seit vielen Jahren ist zu beobachten, dass die Interessen der Arbeitnehmerschaft, also Beschäftigte und Beamte, in Deutschland bei der Politik nicht besonders hoch im Kurs stehen. Hier wird oftmals die Auffassung vertreten, dass eine gute Wirtschafts- und Industriepolitik auch die beste Sozialpolitik sei. Seit Anfang der 1990er Jahre wird ständig in soziale Standards eingegriffen, um die Zahl der Arbeitslosen zu reduzieren. Für Unternehmen und die Kapitalrendite ist dies prima, doch was hat der einzelne Arbeitnehmer davon? Zu wenig (!), muss man in der Rückschau konstatieren.

Lohnverzicht und soziale Risiken für Arbeitnehmer- Gewinnmaximierung für Unternehmen

Zunächst musste Lohnverzicht geleistet werden und dann wurden auch noch soziale Risiken - wie beispielsweise die Berufsunfähigkeit - auf den einzelnen Arbeitnehmer verlagert. Hiergegen muss er sich, der Not gehorchend, durch den Abschluss einer privaten Versicherung schützen. Auch von der paritätischen Finanzierung der Sozialversicherung hat sich die Politik zu Lasten der Arbeitnehmer verabschiedet. Damit sind die Lasten der Globalisierung einseitig bei den Angestellten und Beamten abgeladen worden, während die Unternehmen in diesen Jahren Rekordgewinne verbuchen konnten.

Und dies hatte Auswirkungen. Die Einkommen der Deutschen sind im europäischen Vergleich in den zurückliegenden zehn Jahren deutlich zurückgefallen. Zwischenzeitlich verdient ein Luxemburger Lokomotivführer mehr als ein deutscher Behördenleiter. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen, solange die Politik gesellschaftliche Verteilungsgerechtigkeit nicht endlich zum Maßstab ihres vorrangigen Handelns macht.

Zwischenzeitlich sind in Deutschland mehr als 6 Millionen Menschen prekär beschäftigt und 2,6 Millionen sind arbeitslos. Damit könnten weit über zehn Millionen Menschen nicht vom wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft profitieren. Diese Menschen machen die konkrete Erfahrung, von ihrer Arbeit nicht mehr ihren Lebensunterhalt bestreiten, geschweige denn sozial aufsteigen zu können.

Der schnelle Zuzug von Flüchtlingen ist eine große Herausforderung für die Integrationskraft des Landes

Angesichts solcher Rahmenbedingungen weit über eine Million Flüchtlinge und Asylbewerber ins Land zu holen, wirkt da schon recht abenteuerlich, zumal der Familiennachzug noch aussteht. Angestellte und Beamte müssen sich seit vielen Jahren vorhalten lassen, dass für ihre Interessen kein Geld zur Verfügung stehe, weil man Schulden abbauen müsse, um diese nicht nachwachsenden Generationen aufzubürden. Mit dem Auftreten der Flüchtlingskrise ist dieses Argument wie durch Geisterhand völlig aus der politischen Diskussion verschwunden.

Mit den Neubürgern erhöht sich zwangsläufig der Druck auf die unteren zwanzig Prozent unserer Gesellschaft, weil hier künftig um Arbeitsplätze und Wohnraum konkurriert werden wird. Die Arbeitszuwanderung seit den 1960er Jahren hat in vielen Großstädten zur Bildung von Ghettos geführt. Hiergegen und gegen das Scheitern von Integration, die wir im wachsenden Umfang beobachten können, hat der Staat bislang viel zu wenig unternommen. Deshalb steht zu befürchten, dass der schnelle und massenhafte Zuzug von Flüchtlingen ähnliche Fehlentwicklungen zur Folge haben wird. Gründe für den vielfach geäußerten Optimismus der Politik sind zumindest nicht ersichtlich, zumal sie sich über die immensen Kosten der Flüchtlingskrise ausschweigt. Vermutlich soll die Bevölkerung nicht beunruhigt werden.

Bindung des Asylrechts an Aufnahme- und Integrationskraft überfällig

Der Politik dürfte zwischenzeitlich aufgegangen sein, dass ein weiterhin „grenzenloses individuelles Asylrecht“, wie es die Väter des Grundgesetzes formulierten, Deutschland bereits recht zeitnah durch Überforderung jeglicher Integrationskraft berauben wird. Deshalb ist eine politische Diskussion überfällig. Deutschland muss sich ehrlich machen und darf auch die Staatengemeinschaft der Europäischen Union nicht überfordern, die das deutsche Asylrecht überwiegend ablehnt. Jetzt ist es höchste Zeit, den individuellen Rechtsanspruch auf Asyl an die in Europa vorherrschende Rechtslage anzupassen.

Wenn die Gesellschaft nicht überfordert, verunsichert und ihr Zusammenhalt nicht riskiert werden soll, dann ist eine Asylgewährung an die Aufnahme- und Integrationskraft Deutschlands zu binden. Die hohe Zahl der Flüchtlinge weltweit und die große Sogwirkung, die Deutschland auf Flüchtlinge ausübt, macht eine rationale Steuerung der Zuwanderung unumgänglich.

Kommen im nächsten Jahr nochmals Flüchtlinge in großer Zahl und hoher Geschwindigkeit, wird Deutschland vor dem Problem in die Knie gehen, wenn bis dahin das Asylrecht nicht modifiziert und die europäischen oder deutschen Grenzen nicht zuverlässig gesichert sind. Daneben muss Deutschland auf die Durchsetzung der Dublin-Regeln bestehen, wenn es nicht restlos überfordert werden will. Bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise, dies ist in den zurückliegenden Monaten überaus deutlich geworden, wird sich Europa nicht in der Weise beteiligen, dass Deutschland Flüchtlinge abgenommen werden. In dieser Frage ist die europäische Solidarität eine Einbahnstraße.

Die finanziellen Lasten gerecht verteilen

Daneben sind weitere Politikfelder zu beackern, wenn verhindert werden soll, dass sich weite Teile der Bevölkerung von der Politik gänzlich abwenden. Vorrangig muss sein, dass die finanziellen Belastungen gerecht nach Leistungskraft auf die gesellschaftlichen Gruppen verteilt werden. Dies ist derzeit nicht der Fall. Während Angestellte und Beamte Steuern fast in Höhe ihres individuellen nominalen Steuersatzes an den Staat abführen müssen, können hohe Einkommen, Gewinne und Kapitalerträge steuerlich „gestaltet“ werden, so dass letztlich eine Besteuerung deutlich unterhalb des jeweiligen Nominalsteuersatzes erfolgt. Damit aber verzichtet der Staat darauf, die Vermögenden entsprechend Leistungsfähigkeit an der Finanzierung des Staates zu beteiligen. Hinzu tritt der Umstand, dass Angestellte und Beamte den überwiegenden Teil ihres Einkommens aufwenden müssen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Und da kassiert der Staat durch indirekte Steuern noch einmal kräftig mit. Bezieher hoher Einkommen benötigen nur einen geringen Teil ihres Geldes zum Lebensunterhalt und können daher Vermögen bilden, für das keine indirekten Steuern anfallen.

Das geltende Steuersystem gerecht zu nennen, wird sicherlich auch der Politik schwerfallen. Deshalb sollte so schnell wie möglich ein einfaches Steuerrecht geschaffen werden, das die überproportional hohe Belastung der abhängig Beschäftigten des Mittelstandes endgültig beendet.

Angesichts der hohen Flüchtlingszahlen wird der Staat auf eine funktionierende öffentliche Verwaltung angewiesen sein. Im Sicherheits-, Justiz- und Schulbereich sind massive Personalverstärkungen unumgänglich. Speziell im Strafvollzug in NRW sind allein 650 Personalstellen erforderlich, um die aufgelaufene Mehrarbeit und den in das nächste Jahr übertragenen Erholungsurlaub abbauen zu können. Daneben ist der Vollzug auf die absehbaren Herausforderungen vorzubereiten. Die Deradikalisierung der Rückkehrer aus dem Dschihad wird sich als sehr anspruchsvolle und langwierige Aufgabe erweisen. Zudem wird die Zuwanderung zwangsläufig zu steigenden Gefangenenzahlen führen und den Strafvollzug mit Menschen fremder Kulturen und Nationalitäten konfrontieren. Auch hierfür ist eine konzeptionelle Vorbereitung unabdingbar. Es ist sprichwörtlich fünf vor zwölf, Bund und das Land NRW müssen handeln, und zwar sofort.

Friedhelm Sanker

Foto im Beitrag © boscorelli / Fotolia.de