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In der Unterbringungseinrichtung fĂŒr Ausreisepflichtige in BĂŒren werden kĂŒnftig Polizisten eingesetzt, um Abordnungen aus dem Vollzug zu vermeiden.

Abschiebehaft: Amtshilfe des Vollzuges zunÀchst ausgesetzt

Seit dem 15. Mai 2015 wird die Abschiebehaft in einer gesonderten Einrichtung vollzogen, die dem Innenministerium untersteht. Damit schien die Amtshilfe, die der Vollzug jahrzehntelang geleistet hatte, endgĂŒltig beendet zu sein. Um eigenes Personal zu sparen, wurden Kolleginnen und Kollegen aus dem Strafvollzug in die neue Laufbahn des Abschiebungshaftvollzugsdienstes ĂŒbernommen. Derzeit zieht die Belegung spĂŒrbar an, so dass die KapazitĂ€t kurzfristig aufgestockt werden muss.

Was liegt in einem solchen Fall nĂ€her, als sich wieder beim Vollzug zu bedienen, um das erforderliche Personal zu rekrutieren? Der BSBD hat dieses Vorgehen als unzulĂ€ssig und kontraproduktiv kritisiert, zumal der Vollzug selbst unter arger Personalnot zu leiden hat. Wie jetzt aus fĂŒr gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen verlautet, soll dieser BSBD-Forderung jetzt Rechnung getragen werden. Das Innenministerium plant nunmehr, Polizeivollzugsbeamte in die Aufgaben der Abschiebehaft einzuweisen.

Im NRW-Innenministerium brach hektische Betriebsamkeit aus, als die Medien vor wenigen Tagen darĂŒber berichteten, dass offenbar ein vorbestrafter und zudem ausreisepflichtiger Asylbewerber in Leverkusen auf freien Fuß gesetzt worden war, weil er in der Abschiebehaft in BĂŒren nicht untergebracht werden konnte. Seine Freiheit nutzte der verurteilte StraftĂ€ter, um unterzutauchen und sich so seiner Abschiebung zu entziehen.

Der Mann soll die albanische oder mazedonische Staatsangehörigkeit besitzen. Er soll wegen einer Sexualstraftat bereits fĂŒnf Jahre inhaftiert und anschließend abgeschoben worden sein. Anschließend kehrte er jedoch illegal nach Deutschland zurĂŒck.

Der Vertrauensbonus ist verbraucht

Innenminister Ralf Jaeger (SPD) stand mit diesem Fall erneut in der Kritik. Der Vorfall reiht sich ein in eine Kette von Skandalen, die sich alle um den Namen des Ministers ranken. Das Polizeiversagen in der Silvesternacht 2015/16 in Köln, die Übergriffe von Sicherheitspersonal in FlĂŒchtlingsheimen, der Sicherheits-Gau im Falle des Berlin-AttentĂ€ters Anis Amri – um nur die gravierendsten FĂ€lle zu nennen – haben dem Ansehen des Ministers und auch dem der nordrhein-westfĂ€lischen Sicherheitsbehörden sehr geschadet. Der Minister Jaeger gewĂ€hrte Vertrauensvorschuss ist mehr als aufgebraucht.

Wohl auch deshalb beeilte sich das NRW-Innenministerium klarzustellen, dass es selbstverstĂ€ndlich nicht sein dĂŒrfe, dass ein abgelehnter und vollziehbar ausreisepflichtiger Asylbewerber in Deutschland aus Platzmangel nicht in Abschiebehaft genommen werde. Da allerdings der Leverkusener Fall bestĂ€tigt werden musste, entwickelte des Ministerium große AktivitĂ€ten, um die KapazitĂ€ten der Abschiebehaft kurzfristig zu erhöhen. Hinsichtlich des Personalbedarfs fĂŒr die zusĂ€tzlichen PlĂ€tze wollte man sich offenbar – wie in der Vergangenheit auch – beim Strafvollzug bedienen.

BSBD-Intervention erfolgreich

In dieser Hinsicht hatte man allerdings die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der BSBD machte diese Planung öffentlich und widersprach ihr nachdrĂŒcklich, weil der Vollzug angesichts der ansteigenden Belegungszahlen selbst unter einer mehr als knappen Personaldecke zu leiden hat.

An einer Eskalation der Angelegenheit bestand so kurz vor der Landtagswahl vermutlich kein Interesse, so dass nunmehr geplant wird, Polizeivollzugsbedienstete in BĂŒren einzusetzen. Durch die Bielefelder Bereitschaftspolizei sollen kurzfristig 38 KrĂ€fte in die AblĂ€ufe bei der Unterbringungseinrichtung fĂŒr Ausreisepflichtige in BĂŒren eingewiesen werden. Wenn der Bestand kĂŒnftig 120 Untergebrachte ĂŒbersteigt, sollen sowohl im FrĂŒh- als auch im SpĂ€tdienst jeweils zwei Polizisten zur UnterstĂŒtzung eingesetzt werden.

BSBD-Vize Ulrich Biermann: „Vollzug ist kein ‚Selbstbedienungsladen‘!“

Von der neuerlichen Entwicklung zeigte sich BSBD-Vize Ulrich Biermann durchaus angetan. „Wir haben uns mit unserer Argumentation durchsetzen können, was uns zunĂ€chst einmal freut. Die jetzt gefundene Regelung ist darĂŒber hinaus sachgerecht, weil der Vollzug in der derzeitigen Situation auf Personal nicht verzichten kann. Und fĂŒr die Zukunft muss klar sein, dass der Justizvollzug nicht als 'Selbstbedienungsladen' fĂŒr das Innenministerium herhalten kann!“

Der Gewerkschafter Ă€ußerte daneben Erstaunen darĂŒber, dass ein in Abschiebehaft zu nehmender StraftĂ€ter, der ein nicht unerhebliches Risiko fĂŒr die öffentliche Sicherheit darstellt, einfach auf freien Fuß gesetzt werde. Angesichts der hohen Fluktuation mĂŒsse es möglich sein, fĂŒr einen kurzen Zeitraum eine alternative Unterbringungsmöglichkeit zu finden. Schlimmstenfalls mĂŒsse eben eine RisikoabwĂ€gung stattfinden und der Untergebrachte auf freien Fuß gesetzt werden, der das geringste Risiko fĂŒr die Gesellschaft darstelle. In dem Leverkusener Fall sei eine solche AbwĂ€gung des Risikos strĂ€flich vernachlĂ€ssigt worden, kritisierte Ulrich Biermann.

Friedhelm Sanker


Symbolfoto im Beitrag © Tobias Arhelger / Fotolia.de