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Die Kosten zur Überwindung der Coronakrise werden gewaltig sein.

Kosten der Krise: Wie hart wird die Zeit nach der Pandemie?

Die Infektionszahlen gehen zurück, die Menschen schauen etwas zuversichtlicher in die Zukunft. Damit rücken die Gedanken über die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie mehr und mehr ins Bewusstsein. Denn die hat unübersehbar Konsequenzen für die Wirtschaft, für den Zusammenhalt Europas, für den Arbeitsmarkt und letztlich für uns alle.

Die Höhe der bislang geschnürten Hilfspakete auf europäischer und nationaler Ebene erreichen surreale Größenordnungen. Sie lassen allerdings erahnen, welche Belastungen speziell auf Generationen von deutschen Steuerzahlern zukommen werden. Auch Interessenvertretungen müssen sich notgedrungen dieser Problematik stellen, weil sie die künftigen Rahmenbedingungen im organisierten Verteilungsprozess nachhaltig bestimmen wird.

Die gerade veröffentlichten Arbeitslosenzahlen sind ein Vorgeschmack dessen, was uns erwarten könnte. In Deutschland ist die Arbeitslosenzahl auf 2,8 Mio. angestiegen. Damit hat sich der Trend, dass die Arbeitslosigkeit im Frühjahr stets eine rückläufige Tendenz aufweist, umgekehrt. Dies bedeutet einen Rückgang der Kaufkraft, was es dem produzierenden Gewerbe und dem Dienstleistungsgewerbe erschweren dürfte, schnell wieder die Umsatzzahlen von vor der Pandemie zu erreichen. Ein Ausgleich auf internationalen Märkten ist auch nicht in Sicht, weil alle maßgeblichen Volkswirtschaften mit vergleichbaren Schwierigkeiten zu kämpfen haben.

Finanzielle Solidarität für reiche Nachbarn?

Die Mitglieder der Europäischen Union fordern vom doch so reichen Deutschland Solidarität. Sie verlangen nicht rückzahlbare finanzielle Hilfen und erwarten, dass diese Unterstützung maßgeblich vom deutschen Steuerzahler bezahlt werden soll. Wie groß der politische Druck mittlerweile geworden ist, zeigt der Umstand, dass die Bundeskanzlerin ihren Widerstand gegen eine gemeinsame Schuldenaufnahme aufzugeben scheint. Zwar soll es die Ausnahme von der allgemeinen Regel bleiben, doch wer weiß schon, wie die künftige Entwicklung aussehen wird. Vielleicht wird mit dieser Ausnahme der von den deutschen Steuerzahlern so sehr abgelehnte Weg in die Schuldenunion geebnet.

Wer wollte bestreiten, dass Italien, Frankreich oder auch Spanien stark durch die Corona-Krise betroffen sind. Am Verständnis fehlt es aber, wenn alle Mitglieder der Union zunächst auf ihren Vorteil bedacht sind, beim Auftreten von Finanzbedarfen aber stets nach Deutschland, der ach so starken Wirtschaftsmacht, rufen. Das national gestaltete Steuerrecht sorgt dafür, dass die Mitglieder untereinander um die geringsten Steuersätze konkurrieren. Das nicht harmonisierte Wirtschafts- und Finanzrecht bewirkt, dass der Euro eine fragile Währung bleibt, die augenscheinlich permanent durch das Fluten der Märkte mit zusätzlichem Geld gestützt werden muss.

Zahlen deutsche Sparer wieder die Zeche?

Die unheilvolle Konsequenz für den deutschen Sparer: Keine Zinsen für seine Einlagen. Seit der Finanzkrise vor gut zehn Jahren sind dem deutschen Sparer von 2010 bis 2017 auf diese Weise 436 Milliarden Euro an möglichen Zinserträgen entgangen. Das Sparen fürs Alter ist faktisch nicht mehr möglich, zumal die Europäische Zentralbank die Politik einer maßvollen Inflation betreibt, die ihrerseits die Kaufkraft der Verbraucher schwächt. Um die Schuldenlast der Südländer zu begrenzen, hat die EZB diese lockere Geldpolitik praktiziert. Sie hat allerdings damit auch künstlich zur Wettbewerbsverzerrung beigetragen, weil die Risiken der Kredite jener Länder mit einer stark schuldenbasierten Haushaltspolitik nicht richtig bewertet werden.

Und auch bei der Vermögensverteilung bilden die Deutschen zusammen mit Portugal das Schlusslicht der „alten“ EU-Staaten. Das Median-Vermögen jedes volljährigen Deutschen beträgt nach Erhebung der Credit Suisse derzeit 35.313 $. Unter dem Median-Vermögen versteht man jenen Betrag, ab dem die eine Hälfte der Gesellschaft mehr und die andere weniger Vermögen gebildet hat. Die Vergleichssummen betragen für Luxemburg 139.789 $, für Frankreich 101.942 $, für England 97.452 $, für Österreich 94.070 $, für Italien 91.889 $ und für Spanien 95.360 $.

Der Normalbürger kann von Deutschlands Wirtschaftskraft kaum profitieren

Warum ist die Vermögensverteilung so, wie sie ist? Eine wesentliche Ursache ist die hohe Steuer- und Abgabenlast der deutschen Mittelschicht. Zudem haben die Deutschen eine Präferenz für schlecht verzinste Kapitalanlagen, weil immer das geringste Risiko gewählt wird. Daneben haben nur 40 Prozent der Deutschen Wohneigentum. In den anderen Staaten Europas liegt dieser Wert meist doppelt so hoch. Zu allem Überfluss sorgt dann die Rettungspolitik der EZB dafür, dass durch gewollte Inflation und Null-Zins-Politik von den wenigen Erträgen so gut wie nichts übrigbleibt.

Wir Deutschen halten uns subjektiv immer noch für ein reiches Land, weil wir meist nicht sehen, dass uns unsere Nachbarn vermögenstechnisch weit enteilt sind, dabei sind wir objektiv gesehen quasi das „Armenhaus“ Europas. Jedenfalls verfügen die Einwohner jener Länder, die jetzt finanzielle Solidarität von Deutschland fordern, über deutlich mehr Vermögen als wir. Es dürfte deshalb auch zumutbar und ein Akt der Fairness sein, dass Italien und die anderen Krisenländer die privaten Vermögen ihrer Bürger mit zur Bewältigung ihrer Schuldenprobleme heranziehen. Warum soll dort tabu sein, was der deutsche Staat mit seiner hohen Steuer- und Abgabenlast faktisch ständig praktiziert?

Das „süße Leben“ der italienischen Sparer geht weiter

In Deutschland hat lediglich der Staat von der Niedrigzinspolitik der EZB profitiert. Seit langer Zeit konnte der Staat erstmals seine Schuldenlast zurückführen. Deutschland gilt als so guter Schuldner, dass er für aufgenommene Kredite Minuszinsen erhält. Anders als die Politik glauben machen will, ist in den zurückliegenden Jahren nicht bei den Ausgaben gespart worden, sondern es wurde nur weniger ausgegeben als bei den Schuldzinsen erspart wurde. Faktisch hat sich der Staat auf Kosten seiner Sparer entschuldet. Da hätte es durchaus nahe gelegen, einen Teil dieser Einsparungen an die Bürger zurückzugeben. Nichts ist dieser Hinsicht geschehen.

Anders sieht es dagegen in Italien aus. Finanznöte hin oder her, will der doch so schwindsüchtige italienische Staat seine Bürger nicht darben lassen. Jetzt hat er mit den „Patrioten-Bonds“ Zinspapiere herausgegeben, die den Sparern eine nette Positivrendite deutlich oberhalb der Inflationsrate garantiert.

Vier Jahre lang können die Kreditgeber zweimal jährlich Zinsen kassieren. Die Höhe dieser Zinsen beträgt 1,4 Prozent zuzüglich der jährlichen Inflationsrate. Sollte beispielsweise die Geldentwertung bis zur Fälligkeit der Papiere am 26. Mai 2024 vier Prozent betragen, würde der Zinssatz satte 5,4 Prozent ausmachen. Dieses großzügige Angebot haben viele Italiener dankend angenommen. Von Privatanlegern wurden Papiere für 14 Milliarden Euro erworben, institutionelle Anleger bewarben sich um weitere 19 Milliarden Euro.

Insgesamt gab der Staat Papiere für 22,3 Milliarden Euro aus, deren Finanzierung dem italienischen Staat rund 1,6 Milliarden Euro kosten wird. Hätte sich Italien diesen Kredit über den Europäischen Stabilitätsmechanismus besorgt, wären Zinsen lediglich in Höhe von 100 Millionen Euro angefallen. Der Staat hätte also 1,5 Milliarden Euro weniger aufwenden müssen. Jetzt, wo Italien Finanzgeschenke zur Überwindung der Pandemie auch von Deutschland erwartet, ein solches Papier herauszugeben, das hat schon ein „Geschmäckle“ und mit Fairness nichts zu tun. Problematisch ist zudem, dass unter den Privatanlegern ausschließlich Inländer zum Zuge gekommen sind. Dabei sind Italiener deutlich vermögender als Deutsche.

Der Ökonom Daniel Stelter wurde in einem Welt-Interview vom 31. Mai 2020 mit einer Aussage zitiert, die dann doch aufhorchen lässt. Stelter erklärte, er sei während der Finanz- und Euro-Krise mit ranghohen Managern zusammengetroffen, um Lösungsansätze für die Entschuldung der Länder zu diskutieren. Seinen Vorschlag, einen Schuldentilgungsfonds für Europa einzurichten, hätte der Finanzvorstand eines großen italienischen Unternehmens lachend gekontert: „Warum sollten wir das tun, solange die Provinzen bezahlen?“ Mit den Provinzen, so Stelter, seien die anderen Länder Europas gemeint gewesen.

Wenn man sich so verhält, wie es der italienische Staat gerade tut, dann hat man gute Chancen, dass bei den europäischen Partnern der Wille zur solidarischen Unterstützung versiegt. Weshalb soll auch der bereits stark belastete deutsche Steuerzahler finanziell dafür geradestehen, dass Italiener eine garantierte Rendite für ihre Vermögensanlagen erhalten. Das ist nicht einzusehen.

Die Kosten der Corona-Krise sind gewaltig

Die OECD schätzt, dass ihre Mitgliedsstaaten Schulden in Höhe von 17 Billionen US-Dollar aufnehmen werden, um die Folgen der Krise halbwegs abzufedern. Damit wird die Verschuldung der Staaten von 100 auf 140 Prozent der jeweiligen Wirtschaftsleistung ansteigen.

Für Deutschland sehen die Zahlen zwar günstiger aus, doch auch bei uns wird es wohl zwei Generationen benötigten, um die Schulden, die im Zuge der Krise von 60 auf geschätzt 80 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen werden, wieder auf das vorherige Niveau zurückzuführen.

Die bisherigen Stützungsleistungen des Staates für die Wirtschaft summieren sich derzeit auf rd. 610 Milliarden Euro. Daneben sind staatliche Garantien für weitere 1.310 Milliarden Euro übernommen worden. Das ist eine gewaltige Hypothek für Generationen von Steuerzahlern. Die Vergangenheit lehrt, dass der Abbau von Schuldenbergen möglich ist. Großbritannien und die USA haben das nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bewiesen. Sie schafften es mit flottem Wirtschaftswachstum und leichter Inflation, verbunden mit strikt regulierten Finanzmärkten. Leider sind solche Rahmenbedingungen derzeit nicht in Sicht.

Sind diese Eckdaten für uns Strafvollzugsbedienstete von Belang?

Diese Frage lässt sich mit einem einfachen Ja beantworten. Auch die Entgelte, die Besoldung sowie die Versorgungsbezüge berücksichtigen stets die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Werden diese aufgrund der finanziellen Belastungen, die durch die Corona-Krise ausgelöst werden, eher bescheiden ausfallen, hat das unmittelbare Auswirkungen auf die Zuwächse der Einkommen des öffentlichen Dienstes

In dieser Hinsicht haben wir aus den unterschiedlichsten Gründen in den zurückliegenden Jahrzehnten leidvoll Erfahrungen sammeln können. Vielfach war es bereits ein gewerkschaftlicher Erfolg, wenn Verschlechterungen des Status quo verhindert werden konnten. Unsere Interessenvertreter werden jedenfalls wieder vor große Herausforderungen gestellt.

Die horrende Schuldenaufnahme aus Anlass der Pandemie ist das eine, daneben ist aber auch noch die Schuldenbremse zu beachten, die den Handlungsoptionen der Politik enge Fesseln anlegt. Daneben sind natürlich auch noch jene Lasten zu schulternd, die bereits vor Krise finanziert sein wollten. Hier ist an Flüchtlinge, die Energiewende und an den Klimaschutz zu denken. Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass auch das Personalbudget der öffentlichen Haushalte künftig wieder auf dem Prüfstand stehen wird.

Rücksicht auf die Leistungsträger der Mittelschicht stünde der Politik gut zu Gesicht

Der Politik ist anzuraten, auch ungewöhnliche Wege des Schuldenabbaus in Erwägung zu ziehen. Japan nimmt in dieser Hinsicht eine Vorreiterrolle ein. Dort hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass man die Staatsschulden nie mehr wird zurückzahlen können. Deshalb ist die japanische Zentralbank dazu übergegangen, alle Schuldscheine des Staates aufzukaufen, zins- und rückzahlungsfrei zu stellen und endzulagern. Damit hat Japan sein Schuldenproblem faktisch gelöst.

Ähnlich verhalten sich auch die USA, die zwischenzeitlich 21 Billionen Dollar Schulden angehäuft haben. Faktisch vollzieht auch Europa diesen Weg nach. Finanzexperten empfehlen deshalb, die Notenbank solle Schuldtitel der Euro-Staaten in dem Verhältnis, in welchem sie zur Finanzierung der EU beitragen, aufkaufen und dann einfach aus der Bilanz streichen. Denn ob sie nun drinstehen, ohne Aussicht jemals wieder in den Markt zurückgegeben zu werden, oder ob sie einfach gestrichen werden, mache keinen Unterschied. Nach der Streichung sinke der Schuldenstand der, so dass auch die Zinsen zum Nutzen der Sparer wieder steigen könnten.

Auf dem nächsten von Japan auszurichtenden Gipfel der G-20-Staaten soll die Schuldtragfähigkeit der Staaten auf der Agenda stehen. Wir werden sehen, welche Lösungsoption sich dort durchsetzen wird. Deutschland propagiert immer noch hartes Sparen, was letztlich dazu führt, dass Staaten in die Insolvenz gehen müssen, wenn sie nicht durch andere gerettet werden. Eine Insolvenz hätte jedoch eine massive Vermögensvernichtung zur Folge und erscheint deshalb für die Euro-Zone kaum vorstellbar.

Friedhelm Sanker

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