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Besondere Vorkommnisse: Wird die Arbeit in den nordrhein-westfälischen Vollzugseinrichtungen risikoreicher?

Viele Praktiker würden eine solche Frage ohne Umschweife bejahen. Immerhin ereignete sich im Jahr 2014 die besorgniserregende Zahl von 86 Zwischenfällen in den Vollzugseinrichtungen des Landes. Das Justizministerium sieht im Hinblick auf die Vorfälle hingegen keinen akuten Handlungsbedarf, weil sich die Zahl der Vorkommnisse auf einem konstant niedrigen Niveau bewege. Die in der absoluten Zahl enthaltenen Übergriffe auf Bedienstete haben 2014 zu insgesamt 81 Krankentagen geführt. Übergriffe, die keinen krankheitsbedingten Ausfall zur Folge hatten, tauchen bislang in der Statistik nicht auf.

Und hier liegt das Problem, wenn man die Verhältnisse in den Einrichtungen sachgerecht einschätzen will. Immer dann, wenn Gefangene Kolleginnen und Kollegen körperlich oder verbal attackieren, bedeutet dies eine erhebliche Störung für die Realisierung des Behandlungsauftrages. Wenn ein respektvoller Umgang nicht sichergestellt ist, dann ist auch eine behandlungsorientierte Einflussnahme in Frage gestellt.

In dieser Hinsicht ist es mehr als nur bedauerlich, dass speziell den Übergriffen von Gefangenen auf Bedienstete vielfach nicht die erforderliche Bedeutung beigemessen wird. Deshalb will es die Administration wohl auch nicht so genau wissen, sonst würden – wie in anderen Bereichen der Justiz – auch verbale Übergriffe mit einer gewissen strafrechtlichen Relevanz statistisch erfasst. Würden entsprechende Daten erhoben, würde sehr schnell offenbar werden, dass die Bediensteten intensiver als bisher Rückendeckung benötigen, wenn sie von Gefangenen – in welcher Form auch immer – angegangen werden.

Anscheinend geringfügige Übergriffe nicht verharmlosen

Bei Übergriffen wird - soweit es sich um Antragsdelikte handelt - vielfach kolportiert, Vorgesetzte reagierten in diesen Fällen meist mit dem Hinweis, Disziplinar- oder Strafverfahren brächten nichts. So würden eingeleitete Strafverfahren regelmäßig eingestellt, weil sie angesichts der zu verbüßenden Strafe ohne praktische Bedeutung seien. Wenn diese vielfach zu hörende Kritik zutrifft, müsste dieser Umgang mit dem Problem der verbalen und körperlichen Übergriffe grundlegend überdacht werden. Als Repräsentanten des Staates müssen sich die Kolleginnen und Kollegen auf die Rückendeckung des Dienstherrn uneingeschränkt verlassen können.

Selbst wenn Strafverfahren überwiegend eingestellt werden sollten, ist es von ganz wesentlicher Bedeutung, dass solche Übergriffe dokumentiert und damit für die Strafvollstreckungskammern aktenkundig nachvollziehbar werden. Nur dann nämlich kann durch die Kammern die Persönlichkeit des einzelnen Gefangenen und dessen Veränderungsbereitschaft und –fähigkeit richtig eingeschätzt werden, was für das Befinden beispielweise über eine vorzeitige Haftentlassung von elementarer Wichtigkeit sein kann.

Höhere Personalpräsenz ist die einzig richtige Prophylaxe

Gegenüber Pressevertretern machte BSBD-Chef Peter Brock in Düsseldorf darauf aufmerksam, dass nunmehr dringend 650 Mitarbeiter neu eingestellt werden müssten, um den gegenwärtig aufgelaufenen Überstunden- und Urlaubsberg annähernd abbauen zu können. Dadurch, so der Gewerkschafter, würde sich die Personalpräsenz in den Vollzugseinrichtungen deutlich verbessern, was erfahrungsgemäß auch verbalen und körperlichen Übergriffen seitens der Gefangenen angemessen vorbeuge.

„Wenn wir uns jetzt personell nicht besser aufstellen, dann werden die bereits absehbaren Herausforderungen der Flüchtlingskrise und des Dschihadismus die Bediensteten in den nordrhein-westfälischen Vollzugseinrichtungen mittelfristig überlasten. Der Eintritt einer solch risikobehafteten Situation kann weder im Interesse der Politik noch in dem der Gesellschaft liegen", stellte Peter Brock klar. Die Landesregierung forderte der Gewerkschafter auf, jetzt zu handeln und nicht erst dann, wenn "das Kind in den Brunnen gefallen sei". Um das Problem in seiner gesamten Dimension und Tragweite zu ermessen, gelte es jetzt zunächst, alle verbalen und körperlichen Übergriffe auf Bedienstete und die  im Dienst erlittenen Verletzungen flächendeckend zu erfassen.

Friedhelm Sanker

Das Bild im Beitrag stammt von sinuswelle/fotolia.